Die CDU-Fraktion im Wittener Stadtrat hat zur letzten Ratssitzung des Jahres 2020 einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, der vielen Familien eine besondere Weihnachtsfreude bereiten könnte: die Schließung einiger Schulhöfe als Spielflächen.
Der Antrag beschreibt ein seit längerem bestehendes Problem, fasst aber bei der Lösung viel zu kurz. Zäune, Videoüberwachung, Schließung ab 16 Uhr. Was praktikabel erscheinen mag, verkennt, welche Auswirkungen solche Maßnahmen auf Familien in den dichter besiedelten Stadtgebieten haben. Nutzbaren Freiraum haben Kinder in den verkehrsreichen Innenstadtbezirken sowieso kaum.
Nicht alle haben einen eigenen Garten
Wer nicht über einen eigenen Garten verfügt, ist zwingend auf städtische Flächen angewiesen. Sind unsere Spielplätze vor allem für den Aufenthalt von kleineren Kindern konzipiert, bieten viele Schulhöfe Aufenthaltsqualität für Ältere: Fußballplätze, Basketballkörbe und Tischtennisplatten, asphaltierte Bereiche, auf denen Skateboard oder Inliner gefahren werde kann – und das Ganze häufig auf vertrautem Terrain, fußläufig von Zuhause gelegen. Nun strebt die CDU im Wittener Rat kurzfristig eine Schließung dieser Freiräume ab 16 Uhr nachmittags an. Statistiken zeigen, dass Vandalismus in der Mehrheit durch junge Erwachsene und Jugendliche verübt wird, selten durch Kinder. Die kritischen Zeiträume befinden sich eher in den Abend- und Nachtstunden, nicht am Tage. Ein Betretungsverbot für diese Stunden existiert bereits, ist aber beinahe wirkungslos, weil mit bestehenden Mitteln nicht kontrollierbar.
Anstatt gemeinsam mit Rat und Verwaltung ein durchdachtes Konzept zu entwickeln, setzt die CDU einseitig auf die Einschränkung von Freiheiten und zu einfache vermeintliche Lösungen. Nicht nur die Schließung scheint wenig durchdacht oder zielgerichtet, auch die Forderung nach Videoüberwachung wirkt willkürlich. Erhebungen und Studien der vergangenen Jahre lassen grundsätzlich an der präventiven Wirkung dieser Maßnahme zweifeln. Sie stellt aber immer einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Überwachten dar und muss deshalb besonders kritisch geprüft und bewertet werden. Die Kosten/Nutzen-Rechnung muss stimmen.
Schnellschuss statt durchdachte Konzepte
Die Lage an unseren Wittener Schulen ist in Teilen schwierig. Besondere Dienstkräfte, die jeweils zwei Standorte betreuen müssen, sind kaum in der Lage, Scherben und Unrat vom Wochenende rechtzeitig zu beseitigen. Die Zeiten, an denen Hausmeister.innen in den Schulgebäuden wohnen und einen Blick auf das Gelände haben, sind durch falsche Sparsamkeit längst vorbei. Viele Gelände sind schwer einzusehen und die Vielzahl lässt sich kaum regelmäßig kontrollieren. Deshalb sind viele Gebäude und Schulhöfe häufig unbeaufsichtigt. Doch Zäune und Videoüberwachung alleine werden die Probleme nicht lösen. Dafür bedarf es der Mithilfe der Wittener.innen und ihrer Einbeziehung.

Wenn Räume attraktiv und einladend gestaltet werden, nimmt die Zerstörungswut ab. Auch Kontrollen durch das Ordnungsamt, die Ausweitung der Zeiträume in der Besondere Dienstkräfte vor Ort sind, verstärkter Einsatz von Streetworker.innen in Schwerpunktbereichen, eine personelle Aufstockung der Schulsozialarbeit und die Sensibilisierung der Bevölkerung, sind Bausteine, welche das Miteinander fördern und so eine Verbesserung der Situation unterstützen. Zäune um Schulhöfe sind reine Symptombekämpfung und dürfen immer nur verbunden mit dem Ziel aufgebaut werden, sie möglichst bald wieder abbauen zu können. Echte Lösungen für die zu Grunde liegenden Probleme erfordern ein umfassendes Konzept.
„Der eingebrachte Antrag mit Dringlichkeitsvermerk ist ein wenig durchdachter und zu einseitiger Schnellschuss. Und dies auf Kosten der Lebensqualität unserer Familien mit Kindern ohne eigenen Garten!“
Elaine Bach, Ratsmitglied
Hallo,
was empfehlen die Piraten denn als kurzfristige Lösung?
Werden hier konstruktive Vorschläge zerredet?
Hallo Andreas,
wir empfehlen, dass sich die zuständigen Fachausschüsse mit den Problemen befassen und nicht der Rat im Rahmen einer Dringlichkeitsentscheidung an den Fachgremien vorbei entscheidet. Diese Sitzungen finden bereits im Januar statt und werden bessere Ergebnisse liefern als der Dringlichkeitsantrag der CDU. Es kann durchaus sein, dass bei der Bruchschule auch eine Einzäunung als zeitweise Notfallmaßnahme leider sein muss. Das muss aber sorgfältig abgewogen werden.
Kurzfristig sollte bei der Bruchschule auf jeden Fall die defekte Beleuchtung des Schulgeländes von der Stadt repariert und so gestaltet werden, dass es keine dunklen Ecken mehr gibt. Weiterhin fehlen uns derzeit noch Informationen, inwieweit Ordnungsamt und Polizei bereits gezielt tätig geworden sind. Das werden wir über eine Anfrage an die Stadt klären. Wenn wir die Informationen haben, können wir besser entscheiden.
Darüber hinaus muss ein soziales und integratives Konzept für diesen Bereich der Stadt her, der die Probleme langfristig löst. Für die Piraten gehört dazu aufsuchende Straßensozialarbeit (Streetwork), welche es in Witten bisher so gut wie gar nicht gibt. Weiterhin müssen die Schulsozialarbeit und das Jugendamt personell gestärkt werden. Darüber hinasu muss ein Konzept her, wie wir eine bessere sozialen Durchmischung erreichen können. Es dürfen nicht dauerhaft Parallelgesellschaften entstehen. Mit solchen Entwicklungen dürfen wir uns nicht abfinden.
Viele Grüße,
Stefan Borggraefe