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Warum ich mein Ratsmandat abgebe

Persönliche Erklärung von Elaine Bach

Wittener Rathaus
Portraitfoto von Elaine Bach
Elaine Bach

Ich lege mein Ratsmandat nieder. Sehr lange habe ich darüber nachgedacht und die Entscheidung ist mir extrem schwergefallen. Ich habe dieses Ehrenamt stets sehr ernst genommen und hatte immer den Anspruch, es gut und verantwortungsvoll auszufüllen. Für alle Demokrat*innen, die ihr Mandat entsprechend ausfüllen, habe ich höchste Anerkennung und Wertschätzung.

Aus gesundheitlichen Gründen kann ich meinem eigenen, sehr hohen Anspruch an die Ratsarbeit nicht entsprechen. Das Vertrauen, das ich von unseren Wähler*innen bekommen habe, ist mir eine große Ehre. Jetzt diesen Schritt zu gehen, bedeutet für mich, verantwortungsvoll mit dem Wähler*innenvertrauen umzugehen. Ich gebe das Mandat bewusst an einen anderen Piraten ab, um die Arbeit der Piratenfraktion zu erhalten bzw. wieder zu stärken.

Von Stefan Borggraefe und den anderen Fraktionsmitgliedern habe ich stets Verständnis und Unterstützung bekommen, auch in gesundheitlich herausfordernden Phasen. Dafür möchte ich meiner Fraktion und ganz besonders Stefan danken, der mir so viel Vertrauen geschenkt, Freiraum gegeben und wertvolle Erfahrungen mit mir geteilt hat. Ich habe mich immer supported und wohl gefühlt in unserem Team und in den letzten 1 ½ Jahren extrem viel lernen können. Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich in der kommunalpolitischen Arbeit machen durfte.

Es gab jedoch auch viele Momente, die mich während gesundheitlich schwierigen Phasen extrem belastet haben. Es gab Ausschuss- oder Ratssitzungen, die politisch aggressive, hetzerische Beiträge von anderen Akteuren mit sich brachten, die nur schwer auszuhalten waren. Hässliche und hart faschistische Aussagen innerhalb von Stadtratsdebatten, Anfeindungen, Drohungen und Verleumdungsversuche gegen unsere Fraktion und speziell gegenüber Stefan Borggraefe, haben einen bitteren Eindruck hinterlassen in meiner Wahrnehmung des kommunalen Politikbetriebs. Zudem haben antiquierte und antifeministische Äußerungen von Gremienmitgliedern, die vor toxischer Männlichkeit nur so sprühen, das Bild vom männerüberladenen Politikbetrieb nicht gerade verbessert. Ich bin allen progressiven Politiker*innen, die sich dem stellen und weiterhin einen Unterschied machen, extrem dankbar.

Allen weiblichen Vertreterinnen im Wittener Stadtrat wünsche ich, dass wir mehr werden und sich das patriarchalisch-verstaubte Politik-Business zukünftig verändern lässt. Es wird höchste Zeit. Ich bleibe auch den frauenpolitischen Gruppen innerhalb des Rates verbunden und hoffe, euch auch auf anderen Wegen unterstützen zu können. Es gibt noch so viel zu tun – ich wünschte, ich hätte die Energie dafür.

Während eines Redebeitrags im Stadtrat

Die generelle Belastung, unter der Kommunalpolitiker*innen stehen, ist vielleicht höher als viele denken. Ich habe stets versucht allen Pflichten und Verantwortlichkeiten nachzukommen. Als im Laufe der Zeit aber noch weitere Belastungen hinzukamen, wie beispielsweise Morddrohungen gegen meinen Fraktionsvorsitzenden oder Anschuldigungen und Verleumdungsversuche gegen uns, hat meine mentale Gesundheit darunter zusätzlich gelitten. Dass ich phasenweise weniger belastbar bin als sonst, wusste ich vorher. Dass politische Arbeit oder das Ausfüllen eines Ehrenamts viel Engagement und manchmal auch Stress mit sich bringen, war mir auch bewusst. Ich bin zu keinem Zeitpunkt blind oder naiv mit dieser Verantwortung umgegangen. Und ich bedauere es sehr, dass mir trotz Überzeugung und viel Herzblut, das in meine politische Haltung fließt, die Anforderungen letztendlich zu viel geworden sind.

Ich wünsche mir sehr, dass das Thema mentale Gesundheit in der Politik in Zukunft mehr Aufmerksamkeit bekommt – was mich zuletzt auch dazu bewegt hat, meine Gründe hier offen zu legen. Ich glaube jedoch nicht, dass z.B. Menschen mit Depressionen (Beitrag mit Nico Semsrott zum Thema) nicht in die Politik gehen sollten. Ich denke, dass sich meine Situation speziell so entwickelt hat, da wir als kleine Fraktion generell weniger Ressourcen haben, um die politische Arbeit, die wir leisten wollen, durchführen zu können – und da wir, wie beschrieben, im letzten Jahr mit besonderen Belastungen zu kämpfen hatten. Ich wünsche jedenfalls allen Menschen, die ebenso unter erschwerten Bedingungen, wie depressiven Episoden, ein Ehrenamt ausführen, genau so viel Verständnis bekommen wie ich; sich trauen, ihre Grenzen zu schützen und Wege finden, ihr Ehrenamt so ausfüllen zu können, wie sie es sich vorstellen.

Es schmerzt mich sehr, dass ich meinem eigenen Anspruch und ursprünglichen Antrieb – der Wittener Politik eine progressive, jüngere und vor allem eine weibliche Perspektive zu geben, nicht nachkommen kann. Gleichzeitig bin ich sicher, dass unsere Fraktion auch in neuer Besetzung weiterhin so wichtige, dringend nötige, feministische, inklusive und antifaschistische Haltung in den Stadtrat tragen wird.

Es wird jemand auf meinem Platz nachrücken, den ich politisch und persönlich sehr schätze. Ich wünsche der Fraktion natürlich alles erdenklich Gute, Durchhaltevermögen und viel Erfolg. Ich bleibe Stefan und der ganzen Fraktion weiterhin verbunden, politisch wie freundschaftlich. Ebenso bleibe ich bei der Piratenpartei aktiv.

#facethedepression #mentalhealth #womeninpolitics

  1. Alles Gute für Dich! Only the strong stay soft. <3

  2. Oftmals zeigen die ehrenamtlich ausgewählten Politischen Ämter ihr wahres Gesicht, und wie ich finde oftmals sehr Respektlos im Umgangston. Eine junge Bürgerin engagiert sich, man kann oftmals auch anderer Meinung sein, aber es darf doch nie persönlich oder angreifen sein. Schade, ich wünsche ihr einen guten weiteren Weg, vor allem gesund und munter zu bleiben. Leider ist es oft so, dass Menschen aufgrund von vielen unsportlichen Aktionen, auch von anderen Parteien, und von Ratsmitglieder hinsichtlich von Entscheidungen, nicht fair und sportlich miteinander reden. Schade, deshalb verlieren oftmals junge Menschen den Mut in einem Amt mitzuarbeiten. So etwas schadet uns allen, denn nur wer miteinander redet, der kann am Ende auch eine gute Idee umsetzen zum Gesamtwohl aller.

  3. Hochachtung, liebe Elaine und alles Gute 💚

  4. Ulla weiß

    Liebe Elaine,
    wie schade, dass du gehst. Aber die eigene Gesundheit geht immer vor. Für Menschen, die sich nicht als Maschine ihrer Partei zeigen möchten, fehlen oft sensible und freundliche Gesprächskulturen im Rat.
    Ich wünsche dir viel Gesundheit und genug Kraft, um als politischer Mensch auch außerhalb des Rates weiter aktiv zu sein. Liebe Grüße Ulla Weiß 💝

  5. Cornelia Zimmermann

    Seelische Erkrankungen aller Art zeigen sich auf unterschiedlichster Weise. Meist ist es dann ein Ausweg, Ruhe zu finden.
    Und die erlebten Dinge zu verarbeiten, sodass sie nicht mehr ständig im Kopf rumgeistern .
    Jemanden „fertig“ zu machen, ist eine Straftat.
    Wenn mir jemand eine Ohrfeige verpasst, kann ich ihn verklagen. Rechtlich eindeutig.
    „Mobbing Betroffene“ müssen selbst beweisen welcher Schaden ihnen entstanden ist. Es muss ein Tagebuch geführt werden. Und dann den Prozess aushalten, in dem dann natürlich alles bestritten wird.
    Solche zugefügten Wunden benötigen eine sehr lange Heilungsphase.
    Als Betriebsratsvorsitzende kann ich ihre Entscheidung komplett nachvollziehen und mitfühlen.
    Die Aussage, dass man automatisch mehr aushalten muss, ist nicht akzeptabel!!!!
    Ich bedanke mich als Wittener Bürgerin für ihre Arbeit und ihr Engagement. Nehmen sie sich viel Zeit für sich. Wir brauchen arrangierte junge Menschen in der Politik. Ich hoffe, dass sie in ein paar Jahren zurück kommen.
    Beste Grüße
    Cornelia Zimmermann

  6. Liebe Elaine Bach,
    vielen Dank und großen Respekt für dein persönliches und ach so politisches Statement. Ich wünsche dir persönlich Zeit und Ruhe für Genesung und uns allen mehr Empathie, Verständnis und respektvollen Umgang.

  7. Alles LIebe für dich und Respekt für deine Entscheidung

  8. Volker Eilts

    Da ich in Witten bei Kommunalen Unternehmen ähnliche Erfahrung machen musste, habe ich vollstes Verständniss für Deine Entscheidung.
    Ich habe zulange gewartet um mir Hilfe zu holen.
    Nach dem ich diese bekam geht es mir besser.
    Alles Gute für Dich und Deine Genesung

    Volker Eilts

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