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Nach über vier Jahren Kampagne durch die Piraten

Durchbruch für mehr Straßenmusik in Witten

Stefan Borggraefe mit Straßenmusikern der Band Musik for the Kitchen auf dem Berliner Platz
Stefan Borggraefe mit Straßenmusikern der Band Musik for the Kitchen auf dem Berliner Platz

Seit über vier Jahren kämpfen die Piraten gegen das in Witten herrschende Komplettverbot von Straßenmusik und für mehr Straßenkultur. Für die Ratssitzung am 25. November 2019 haben wir für dieses Anliegen erneut einen Antrag eingereicht. Nachdem zuvor im Jahr 2016 und 2018 unsere Anträge zum Thema abgelehnt wurden, hatten wir nun guten Grund zur Annahme, dass unsere Hartnäckigkeit sich endlich auszahlen würde. Und wir sollten Recht behalten!

Aber lest selbst: mit folgenden Redebeitrag hat unser Ratsmitglied Stefan Borggraefe unseren Antrag begründet:

Redebeitrag: der Piraten-Schlepper bewegt den schwarz-roten Tanker

Sehr geehrte Frau Bürgermeistern, meine Damen und Herren, liebe Gäste,

Stefan Borggraefe mit Straßenmusiker der Band Musik for the Kitchen
Stefan Borggraefe mit Straßenmusiker der Band Musik for the Kitchen

das ist jetzt das dritte Mal, dass ich hier in einer Ratssitzung einen Antrag der Piratenfraktion vorstelle, der mit dem herrschenden Verbot von Straßenmusik in Witten Schluss machen will. Wir haben in über vier Jahren eine Kampagne für das Thema gemacht – Infostände veranstaltet, Straßenkünstler eingeladen, einen Film produziert, mit vielen Menschen gesprochen, Flyer verteilt und Pressemitteilungen geschrieben – um die Öffentlichkeit und eine Mehrheit hier im Rat zu überzeugen.

Manchmal kommt mir unser kleines Piratenschiff vor wie ein viel zu kleiner Schlepper, der versucht, einen riesigen schwarz-roten Tanker hinter sich her zu ziehen, um ihn irgendwie in Bewegung zu versetzen. Aber immerhin gibt es auf unserem Schlepper Musik.

Im letzten Ausschuss für Wirtschaft, Standortmarketing und Feuerschutz hatte ich den Eindruck, dass sich der große Tanker endlich von einem Riff löste und sich bewegte: nachdem die Wittener GroKo 2018 in der WAZ als „kleinkariert“ bezeichnet wurde, nachdem sie unseren Antrag für mehr Straßenkultur ablehnte, wurde in der Ausschusssitzung nicht mehr abgelehnt, sondern ein eigener Änderungsantrag zum Thema angekündigt.

Ein Schlepper zieht einen Tanker
Symbolbild: Ratsarbeit der Piratenfraktion, Foto CC-BY-SA 2.0 John Bateson

Wahrscheinlich war es aber gar kein Riff, welches bisher das Vorankommen verhinderte. Stattdessen hatte der Tanker einfach den Rückwärtsgang eingelegt. Wer das Geschehen genau beobachtete konnte kleine Boote mit den Namen „bürgerforum“ und „Manfred Schulz“ am Tanker beobachten, die mit vollen Unterschriftenlisten wedelnd auf die Besatzung einredeten, um sie von einem Gangwechsel zu überzeugen. Auch die Öffentlichkeit am Ufer rief immer lauter „Ändert endlich was!“. Die Mannschaft des Piraten-Schleppers bedankt sich bei allen, die sich für das Thema einsetzen!

Piraten gegen Genehmigungspflicht

Schaffen wir es also mit dem aktuellen Manöver des Tankers „GroKo“ aus dem stillen Fjord heraus? Das bleibt leider fraglich. Denn die GroKo will zwar prüfen lassen, wie Straßenkultur ermöglicht werden kann. Dabei soll aber auch eine Genehmigungspflicht geprüft werden. Offensichtlich hat da jemand in letzter Sekunde ins Steuerrad gegriffen!

Rathaus Witten mit Kreide gemalt.
Straßenmalerei am Piraten-Infostand

Denn eine Genehmigungspflicht haben wir derzeit. Wenn wir dabei bleiben, wird sich nichts ändern! Etwaige Regeln für Straßenmusik würden dann nur zusätzlich einschränkend hinzu kommen.

Genau diese Genehmigungspflicht sorgt dafür, dass Straßenmalerinnen lieber andere Städte mit ihrer Kunst bereichern. Daher hatten wir bei unserem bisherigen Anträgen zum Thema Straßenkultur beantragt, dass die herrschende Genehmigungspraxis der Stadt Witten bei der Straßenmalerei abgeschafft wird und durch eine einmalige Registrierung ersetzt wird.

Roland Löpke und Stefan Borggraefe vor dem Streetart-Wahlplakat der Piraten zur Europawahl
Auch so unterstützen wir Straßenkultur: Streetart-Wahlplakat der Piraten in Witten

Auch für gute Straßenmusiker, die häufig von Stadt zu Stadt reisen, lohnt es sich nicht, in Witten aufzutreten, so lange sie weiter zunächst bei der Stadt Witten um eine Genehmigung bitten müssen. Der zusätzliche Aufwand macht den möglichen Stundenlohn im Hut der Künstlerinnen und Künstler kaputt. Ganz davon abgesehen, dass dies auch zu zusätzlicher Arbeit für die Stadt Witten führt.

Ein weiteres wichtiges Argument gegen eine Genehmigungspflicht: der Staat sollte nur den Raum für Kunst schaffen. Er darf nicht über das urteilen, was diesen Raum füllt, und eine Genehmigung für Kunst erteilen oder verweigern. Wir Piraten wollen mehr Freiheit ermöglichen. Mehr Kunstfreiheit und mehr Freiheit dahingehend, wie der öffentliche Raum genutzt werden darf. Eine Genehmigungspflicht lehnen wir daher ab.

Klarer Auftrag an die Verwaltung

Flyer aus dem Jahr 2016
Flyer von 2016

Immerhin will die GroKo nicht prüfen lassen ob Straßenkultur wieder ermöglicht werden kann, sondern wie Straßenkultur ermöglicht werden kann. Das ist ein klarer Auftrag an die Stadtverwaltung, der Tanker bewegt sich! Das lange zerren an ihm hat etwas bewirkt. Der Piraten-Schlepper, die anderen kleineren Boote und die Öffentlichkeit am Ufer werden weiter beobachten, ob es nun wirklich vorwärts geht.

Falls die Stadt die Umsetzung dieses einfachen Anliegens trotz Auftrag des Rates unnötig verzögern sollte, oder tatsächlich eine Genehmigungspflicht beibehalten will, werden wir weiter tätig werden. Aber eigentlich will ich hier nicht noch ein Viertes Mal wegen dieses Themas stehen und einen Antrag vorstellen. Ich will mich einfach zusammen mit allen anderen Menschen in Witten an einer bunten Straßenkultur erfreuen und mich in unserer Innenstadt noch lieber aufhalten.

Abstimmungsergebnis

Entsprechend der Mehrheitsverhältnisse im Rat wurde unser Antrag abgelehnt und der Änderungsantrag von SPD und CDU angenommen. Wir haben für beide Anträge gestimmt. Wichtig ist, dass die Stadt Witten das Thema durch diesen Auftrag des Stadtrates jetzt angehen muss!

  1. Yes!! Als bochumer Straßenmusiker unterstütze ich euren Vorstoß mit vollem Herzen! Auch in Bochum muss da etwas geschehen, seitdem die alte SPD Landesregierung den Gebührenrahmen angehoben hat müssen bochumer Straßenmusiker 25 € zahlen und sich 5 Tage im kommenden Monat fest aussuchen – Absolut unflexibel und bescheuert. Habe seitdem nicht mehr in Bochum musiziert sondern weiche seitdem meist auf Essen oder Hattingen aus, dort werden gar keine Genehmigungen benötigt.
    Ganz großen Respekt von meiner Seite an euch! Schön, dass sich jemand für unsere Kunstform einsetzt!

    • Stefan Borggraefe

      Danke für das Lob! Das mit Bochum ist ja wirklich übel. Ich war 2015 auf einer Kundgebung von Wolfgang Wendland, der als Bürgermeisterkandidat die Gebühr von 5 € abschaffen wollte. Dass sie stattdessen sogar angehoben wurde und noch mehr Straßenkunst-verhindernde Regelungen eingeführt wurden, ist eine Sauerei.

      Ich hoffe wir kommen in Witten zu möglichst liberalen Regeln!

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